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Sondermodelle. Die 387 Häuser des Peter Fritz, Versicherungsbeamter aus Wien

 (Originaltitel)
Auf Anfrage, © elser/croy, Wien Museum
Auf Anfrage, © elser/croy, Wien Museum
Auf Anfrage, © elser/croy, Wien Museum
Auf Anfrage, © elser/croy, Wien Museum, Foto: Francesco Galli © Archivio Storico della Biennale di Venezia – ASAC
Beschreibender Titel
Gebäudetyp: Wohnhaus (2-stöckig) mit Restaurantbetrieb im Erdgeschoss/Fremdenzimmer
Künstler:in/Hersteller:in
NameRolle
Peter Fritz (1916—1992)
Künstler
Oliver Croy (* 1970)
Künstler
Oliver Elser (* 1972)
Künstler
Inventarnummer
227424/229
Datierung
  • 1993–2008
Material
Maße
  • Objektmaß 12,3×16,7×14,5 cm
Info/Text

“1993 stieß der Künstler Oliver Croy bei einem Wiener Altwarenhändler auf ein in Müllsäcken verpacktes Lebenswerk, bestehend aus tausenden Diapositiven und 387 Modellhäusern: Amtsgebäude und Schulen, Lagerhäuser und Gasthöfe, Kirchen und Tankstellen, Kaufhäuser und Pensionen – und zig Einfamilienhäuser. Es handelte sich um den Nachlass des 1992 verstorbenen Wiener Versicherungsbeamten Peter Fritz. Gemeinsam mit dem Architekturpublizisten Oliver Elser präsentierte Croy die Modellsammlung ab 2000 in zahlreichen Ausstellungen, in Architektur- und Volkskundemuseen ebenso wie im Kunstkontext, zum Beispiel bei der berlin biennale 2006 [Anmerkung der Redaktion: später auch bei der Biennale in Venedig 2013]. Parallel zu den öffentlichen Präsentationen wurde die „Fritzforschung“ initiiert, die sich in Vorträgen, Diskussionen und Texten niederschlug, mit Beiträgen von ExpertInnen aus Architektur, Kunst und Wissenschaft.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Miniaturgebäude jemals dazu bestimmt waren, eine Modelleisenbahn zu schmücken. Zwar hat Fritz während seiner Sommerurlaube in Österreich eifrig fotografiert, doch seine Modellhäuser beschränken sich keineswegs auf die Nachbildung real existierender Bauten. Vielmehr handelt es sich um hybride Eigenkreationen, die von wenigen Grundtypen wie der modernistischen Kiste und dem alpenländischen Satteldachhaus ausgehen. Offenbar versuchte Fritz, typische Bauformen der österreichischen 50er- bis 70er-Jahre idealtypisch nachzuempfinden. „Er baut die Welt, wie sie ist, und gleichzeitig so, wie sie noch etwas interessanter sein könnte.“ (Croy/Elser)

Seine Welt ist also nicht die Idylle à la Faller, sondern die alltägliche Architektur mit all ihren Reklametafeln, kuriosen Zubauten und absurden Materialkombinationen. Croy und Elser nennen den besessenen Bastler einen „eigenwilligen Modernisten“ und schätzen ihn als „sensiblen Beobachter und begnadeten Entwerfer“.

2008 wurden die 387 Häuser des Peter Fritz inklusive der Materialien der „Fritzforschung“ vom Wien Museum erworben – einerseits als Kunstwerk, andererseits als kultur- und alltagshistorisches Dokument. Denn die von Croy und Elser als „Sondermodelle“ bezeichneten Variationen baulicher Normalität belegen eindrucksvoll, wie sehr sich im Bauen (und Umbauen) der Nachkriegsepoche der Gegensatz zwischen Stadt und Land auflöste: Ganz Österreich wurde damals zur permanenten Peripherie – ein Prozess, der noch lange nicht an sein Ende gekommen ist.”

Wolfgang Kos, im Katalog zur Ausstellung „Fifty Fifty. Kunst im Dialog mit den 50er-Jahren“ (Wien Museum Karlsplatz), erschienen im Verlag für moderne Kunst Nürnberg, 2009

Anmerkung der Redaktion: Nicht von jedem Haus sind alle einzelnen verwendeten Materialien dokumentiert. Tatsächlich verbaute der Bastler auch Zigarettenschachteln, Spinnenpapier, Pappmaschee, Tapetenreste, Bunt- und Silberpapiere, Stoffe, Synthetikfasern, d-c-fix-Folien, Schriftproben, Zeitungsschnipsel und ausgewertete Illustrierte, Kartonagen, Holzabfälle aller Art, Uhu, Holzleim und Tapetenkleister.

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